An:
– Bettina Redert, Bundesministerium für Gesundheit, Referat 315
– Dr. Tobias Viering, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Referat 305
Mainz, 04. Mai 2023
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Er-leichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften (Pflegestudiumstärkungsgesetz – PflStudStG)
Aufenthaltsrechtliche Berücksichtigung der einjährigen, staatlich anerkannten Ausbildungen als Gesundheits- und Krankenpflegeassistenz, Altenpflege und Pflegefachassistenz
Sehr geehrte Frau Redert,
Sehr geehrter Herr Dr. Viering,
wir bedanken uns für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum oben genannten Entwurf eines Bundesge-setzes. Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz ist die berufsständische Vertretung der rund 43.000 Pflegefachpersonen im Bundesland. Sie wurde im Jahr 2015 als bundesweit erste Kammer für Pflegefach-personen gegründet.
Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz befürwortet eine weitergehende Finanzierung der hochschuli-schen Pflegeausbildung. Teile der geplanten Regulierung können einen Beitrag zur Stärkung des Pflege-studiums leisten. Die geplante Einführung einer Vergütung des praktischen Teils der hochschulischen Pfle-geausbildung bedeutet ein Ende der Ungleichbehandlung der Studierenden.
Zum einen arbeiten Studierende bislang in den Praxiseinsätzen zusammen mit beruflich Auszubildenden, die ein Ausbildungsgehalt erhalten. Zum anderen fehlen den Studierenden aufgrund umfassender Pra-xiseinsätze die Kapazitäten, sich etwas dazuzuverdienen, um, wie in anderen Studiengängen üblich, das Studium zu finanzieren. Das Pflegestudium ist daher aus Finanzierungssicht für Studierende bisher eher unattraktiv. Die in § 37 Pflegeberufegesetz definierten Ausbildungsziele der hochschulischen Pflegeaus-bildung müssen gewahrt werden. Dem Erreichen der hochschulischen Ausbildungsziele müssen die Aus-bildungsverträge mit den Trägern des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung Rechnung tragen.
Die Landespflegekammer Rheinlande-Pfalz begrüßt darüber hinaus geplante Maßnahmen zur Vereinfa-chung der Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen.
Zugleich möchten wir Sie auf folgende Punkte im Besonderen hinweisen:
Artikel 1 Änderung des Pflegeberufegesetzes
§ 38 ff.
Primärqualifizierende Pflegestudiengänge in Deutschland werden durch die Änderung des Pflegeberu-fegesetzes zurückentwickelt. Die Ausgestaltung der primärqualifizierenden, hochschulischen Pflegeaus-bildung stützte sich auf die Erfahrungen aus den Modellstudiengängen nach dem Altenpflegegesetz und dem Krankenpflegegesetz (Begründung zum Gesetzesentwurf Bundesregierung Pflegeberufereformge-setz (PflBRefG) [Drucksache 18/7823 | März 2016]). Die Studienergebnisse zeigten unter anderem auf, dass bei additiven und ausbildungsbegleitenden Studiengängen hochschulisch gebildeten Pflegefachper-sonen eher beruflich sozialisiert werden. Bei primärqualifizierenden Studiengängen ist die Sozialisation hingegen wissenschaftlich. Ausbildungsintegrierende Studiengänge wurden infolgedessen nicht dauerhaft als alternatives Studienmodell zugelassen.
Eine weitere Ansiedlung hochschulischer Pflegeausbildung an Universitäten, wird durch die Festlegung auf einen dualen Studiengang gehemmt.
Folgende Aspekte erschweren zukünftig die Verzahnung der Hochschulen mit der ausbildenden Praxis:
Mit den Änderungen im Pflegeberufegesetz schließen die Hochschulen mit nur noch einem Träger des praktischen Teils der hochschulischen Ausbildung nach § 38a Pflegeberufegesetz (neu) einen Kooperati-onsvertrag ab. Bislang schließt eine Hochschule mit allen beteiligten Einrichtungen des praktischen Teils Kooperationsverträge ab. Die geplante Gesetzesänderung bewirkt eine Reduktion der Anknüpfungs-punkte zwischen Hochschulen und ausbildender Praxis.
Die geplanten Kooperationsverträge zwischen jeweils einer Hochschule und einem Träger des praktischen Teils der hochschulischen Ausbildung werden großen Einrichtungen als Träger des praktischen Teils be-vorteilen. Größere Einrichtungen verfügen über mehr Ressourcen und regelmäßig mehr Erfahrung in der Koordination der praktischen Ausbildung, zum Beispiel Krankenhäuser mit angegliederter Pflegeschule. Kleine und mittlere Einrichtungen, etwa ambulante Pflegedienste, werden zusätzlichen administrativen Aufwand schwerer bis gar nicht bewältigen können. Hochschulvertretende und Studierende werden so häufiger Kontakt mit großen Einrichtungen haben.
Lösung: Eine Gewährleistung für den Austausch der Hochschulen mit den beteiligten Einrichtungen der Praxiseinsätze, könnte beispielsweise dadurch erfolgen, dass Praxisbegleitung als regelmäßige persönli-che Austauschtreffen der Lehrkräfte in der Praxis konkretisiert werden. Darüber hinaus empfehlen wir, konkrete Hinweise zur Verbesserung der Lernortkooperation zwischen Hochschule und Praxis, zum Bei-spiel abgestimmte Curricula für hochschulische Anteile und für praktische Anteile.
Artikel 5 Änderung der Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung
Nr. 5, § 4, Absatz 4 (neu), Satz 1
„Lehrformate, die selbstgesteuertes Lernen oder E-Learning beinhalten, können als pädagogische Hilfs-mittel bei der Konzeption der Qualifikationsmaßnahmen nach Absatz 3 Satz 1 in angemessenem Umfang berücksichtigt werden.“
In Verbindung mit dem Begründungstext:
„Die Regelung eröffnet die Möglichkeit, Qualifizierungsmaßnahmen zur Praxisanleitung nach § 4 Absatz 3 Satz 1 in Form des selbstgesteuerten Lernens oder des E-Learnings in einem angemessenen Umfang, der zehn Prozent nicht überschreiten sollte, durchzuführen […].“ (S. 97)
Die Weiterbildung in den Pflegefachberufen ist auf Länderebene geregelt. Teilweise wird die Weiterbil-dung dort landesrechtlich gestaltet, teilweise wird den (kommerziellen) Weiterbildungsanbietern die Ge-staltung der 300 Stunden berufspädagogischer Qualifizierung übertragen. Es besteht das Risiko, dass in jedem Bundesland der „angemessene Umfang“ des selbstgesteuerten Lernens oder des E-Learnings zum einen und des Präsenzunterrichts zum anderen sehr unterschiedlich bewertet wird.
Wenn aus Sicht der Bundesregierung der angemessene Umfang bei 90 Prozent Präsenzunterricht (body-to-body / „zeitgleiche korporale Präsenz“ (ebd.)) liegt, dann sollte diese Anteilsregelung entsprechend im Gesetzestext definiert werden. So würden einheitliche Standards in den berufspädagogischen Qualifizie-rungsmaßnahmen gefördert und Anerkennungsmaßnahmen zwischen den Bundesländern vereinfacht werden.
Der prozentuale Anteil des angemessenen Umfangs von 90 Prozent Präsenzunterricht ist jedoch diskuta-bel. Wir regen an den prozentualen Anteil der möglichen digitalen Unterrichtsformate (synchroner Aus-tausch) auf bis zu 49 Prozent festzulegen. Die Erfahrungen aus der COVID-19-Pandemie zeigten, dass digitale Unterrichtsformate die klassischen Lehrformate sinnvoll ergänzen. Eine Begrenzung digitaler Unterrichtsformate auf 10 Prozent ist aus unserer Sicht zu einschränkend. Der überwiegende Anteil der Weiterbildung sollte in Präsenz durchgeführt werden.
Artikel 5 Änderung der Pflegeberufe-Ausbildungs- und –Prüfungsverordnung
Nr. 5, § 4, Absatz 4 (neu), Satz 2
„Eine vollständig digitale Durchführung ist unbeschadet der Voraussetzungen von Satz 1 nur für die be-rufspädagogische Fortbildung zulässig.“
In Verbindung mit dem Begründungstext:
„Die Regelung eröffnet die Möglichkeit, Qualifizierungsmaßnahmen zur Praxisanleitung nach § 4 Absatz 3 Satz 1 in Form des selbstgesteuerten Lernens oder des E-Learnings in einem angemessenen Umfang, der zehn Prozent nicht überschreiten sollte, durchzuführen, wobei eine vollständig digitale Durchführung für die berufspädagogische Fortbildung zulässig ist“ (S. 97)
Während Präsenzunterricht in der Qualifizierung der Praxisanleitenden mit 90 Prozent große Bedeutung zugeschrieben wird, wird in der berufspädagogischen Fortbildung diese Bedeutung nicht gesehen. Dies sehen wir mit großer Besorgnis. Im Präsenzunterricht können die Praxisanleitenden und die Lehrkraft auf direktem Wege miteinander interagieren. Ein direkter Austausch ist ein wichtiger Aspekt für die Reflexion und Auseinandersetzung mit der Arbeit. Dieser Austausch ist digital nicht oder nur bedingt möglich. Wenn beispielsweise eine hoch belastende Situation besprochen wird, ist zwischenmenschliche Unterstützung von anderen Teilnehmenden und der Fortbildungsleitung digital nicht leistbar.
Im Präsenzunterricht lassen sich vielfältige Methoden wie Diskussionsrunden, Rollenspiele, Kleingruppen-oder Partnerarbeit, praktische Übungen (erheblich leichter) umsetzen. Da die Umsetzung in der digitalen Lehre häufig umständlicher ist, werden neben Frontalunterricht nur selten Varianten der Vermittlung ge-nutzt. Zudem wird der informelle Austausch in rein digitalen Unterrichtsformaten gehemmt.
Aus diesen Gründen befürworten wir, die digitale Durchführung für die berufspädagogische Fortbildung auf maximal 50 Prozent zu begrenzen.
An dieser Stelle gehen wir zudem davon aus, dass hier digitale Unterrichtsformen im Sinne des beschrie-benen E-Learnings (S. 97) gemeint sind. Im Gegensatz dazu gibt es auf dem Markt derzeit etwa s.g. be-rufspädagogische E-Learning-Angebote, die im Anschluss an ein zu lesendes PDF-Dokument den Teilneh-mende vier Multiple-Choice-Fragen beantworten lassen. Damit „digitale Durchführung“ auch im Bereich der berufspädagogischen Fortbildungen eindeutig verständlich ist, ist diese im Regelwerk noch klarer zu definieren.
Begründung
A. Allgemeiner Teil, VI Gesetzesfolgen, 2. Nachhaltigkeitsaspekte
„Der Bedarf an professioneller Pflege wird künftig weiter zunehmen, da ein Anstieg an pflegebedürftigen Menschen in Deutschland zu erwarten ist. Gleichzeitig wird die Zahl der Menschen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, aufgrund rückläufiger Geburtenraten weiter abnehmen. Dies verschärft den Wett-bewerb auf dem Ausbildungsmarkt. Um den Bedarf an Pflegefachkräften langfristig zu sichern, ist es daher wichtig, die Attraktivität der Pflegeausbildung zu steigern und gleichzeitig die Ausbildung geänderten Ver-sorgungsbedarfen anzupassen und weiter attraktiv auszugestalten.“ (S. 67)
Die Steigerung der Attraktivität der Pflegeausbildung ist nur ein Instrument, um den Bedarf an Pflegefach-kräften „langfristig zu sichern“. Die Attraktivität des Pflegeberufes muss insgesamt gesteigert werden. Auf diese Weise bleiben neu ausgebildete Pflegefachpersonen im Beruf und Pflegefachpersonen, die dem Pflegeberuf aus verschiedenen Gründen zunächst verließen, erhielten mehr Anreize in den Beruf zurückzukehren.
Für den weiteren Austausch stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Mai
Präsident